Freilerner sind unsichtbar!? – Ein Aufruf, sich einzusetzen

„Freilerner sind unsichtbar!“ Ist es nicht eine Frechheit, so etwas zu behaupten? Wurde doch über Freilernerfamilien und ihr Anliegen in den letzten Jahren zunehmend in den Zeitungen berichtet. Ich behaupte dennoch: Freilerner sind unsichtbar, zumindest für diejenigen, die in unserem Land die Gesetze machen.

Viele Familien und ihre Anwälte stehen vor Ämtern und Gerichten für ihre Töchter und Söhne ein und leisten gegenüber Richtern, Staatsanwälten, Verfahrensbeiständen u.a., gegenüber Schulämtern, Jugendämtern und Psychologen großartige Aufklärungsarbeit. Ein großes Dankeschön an euch alle, die ihr diese Arbeit leistet. Es ist eine notwendige Arbeit und es braucht noch mehr Familien, die diesen Weg gehen, um die notwendigen Änderungen auf den Weg zu bringen.

Dennoch, es reicht nicht aus. Stellen wir uns mal vor, eine Familie schafft es in ein paar Monaten (naja, vielleicht auch erst in ein oder zwei Jahren), durch eine Eingabe beim Bundesverfassungsgericht, eine positive Entscheidung zu erreichen. Was passiert dann? Die Bundesländer bekommen die Aufgabe, hier gesetzliche Grundlagen zu schaffen. Damit wird das Thema von der Justiz in die Politik gegeben. Und für die allermeisten Politiker ist die Gruppe der Freilerner nicht existent. Gehen Freilerner mit Politikern ins Gespräch, stellen sie schnell fest, dass diese von unserem berechtigten Anliegen bisher nichts gehört haben.

Jetzt kannst du natürlich sagen: Die wollen sowieso nichts von uns hören. Und das mag sicher bei dem einen oder anderen Volksvertreter zutreffen. Zu bedenken ist dennoch, dass Politiker eben Volksvertreter sind, das heißt ganz konkret, sie sollen auch uns und unser Anliegen vertreten. Daher ist es wichtig, dass sie wissen: Es gibt uns, die Freilerner – und wir haben ein berechtigtes Anliegen!

Natürlich werden wir nicht sofort jeden Politiker dahingehend überzeugen, sich für unsere Sache einzusetzen. Aber solange sie nicht wissen, dass es uns gibt, haben sie ja gar nicht die Chance, sich für uns einzusetzen. Auch sollten wir ihnen zugestehen, sich zunächst mit uns und der Thematik auseinander zu setzen, sich damit anzufreunden. Neue Ideen und Lebensweisen brauchen ihre Zeit, bis sie akzeptiert werden und die Menschen positiv darüber denken.

Daher fordere ich euch auf, sprecht die Abgeordneten in eurem Wahlkreis an und nehmt mit dem Bildungsausschuss eures Landtages Kontakt auf. Zeigt ihnen, ihr seid ganz normale Menschen, die sich für ihre Töchter und Söhne einsetzen und deren berechtigtes Anliegen vorbringen. Wenn eure Töchter und Söhne sich trauen, für sich selbst zu sprechen, dann nehmt sie gleich mit zu einem solchen Gespräch. Unsere Erfahrung ist, dass es sehr beeindruckend ist, wenn die jungen Menschen für sich selbst sprechen.

Jetzt werden die Schwarzseher unter euch sagen: Das hat doch alles keinen Erfolg. Dem möchte ich vehement widersprechen. Es wird sicher Gespräche geben, nach denen der Eindruck von Erfolglosigkeit entsteht. Aber in diesem Bereich haben einige von uns schon erfolgreiche Arbeit geleistet. Letztes Jahr gab es in Sachsen eine Gruppe von Freilernern, die sich in den Änderungsprozess für das dortige Schulgesetz intensiv eingebracht haben. Erfolg für eine Änderung im Schulgesetz gab es noch keinen. Dennoch haben sie es durch ihren unermüdlichen Einsatz geschafft, durch die Teilnahme an jeder Bürgerrunde, dass das Thema Freilernen und das Recht eines jungen Menschen auf Selbstbestimmung in der Bildung ins Gespräch gebracht wurde. In Sachsen sind die Freilerner nicht mehr unsichtbar.

In der Freilerner-Solidargemeinschaft haben wir diese Erfahrung zwar nicht mit Politkern gemacht, aber mit Wissenschaftlern und Juristen. Durch die von uns veranstalteten Kolloquien und ähnliche Veranstaltungen ist zu sehen, dass sich auch in diesem Bereich die Meinungen ändern. Erklärte Schulpflichtbefürworter können sich vorstellen, dass zumindest Ausnahmen erlaubt werden, wenn der junge Mensch selbst in die Entscheidung für diesen Weg mit eingebunden ist, wie im Artikel „Schulfrei – für immer“ das Zitat von Herrn Prof. Dr. Rux zeigt, den wir zu unserem ersten Kolloquium als Redner eingeladen hatten.

„Trotzdem ist Rux der Meinung, dass Ausnahmen von der Schulpflicht erlaubt sein sollten – sofern diese nicht von den Eltern, sondern vom Kind selbst initiiert werden. „Wenn ein Kind gegenüber dem Schulleiter begründen kann, wieso es daheim besser lernen kann und wie es sich in die Gesellschaft eingliedern möchte, dann ist es an der Zeit, nachzudenken”, sagt der Rechtswissenschaftler. Bei vielen Freilerner-Kindern, die freiwillig zuhause bleiben, sei er daher unbesorgt. „Wenn Kinder der Ausgangspunkt für diese Entscheidung sind, kann man sicher sein, dass es selbständige Menschen sind, die nicht indoktriniert und abgeschottet werden.”“

Also, macht euch auf, egal ob ihr direkt vom Thema betroffen seid oder nicht. Geht einzeln oder als Gruppe zu Politikern. Macht deutlich, unser Anliegen ist berechtigt.

 

Wer sich engagieren will, findet Materialien für diese Arbeit bei der Initiative Frei-Sich-Bilden: INFSB