Zu meiner Person

Zu meiner Person

Ich engagiere mich seit vielen Jahren für das Recht, sich frei zu bilden – auch ohne Schule. Für junge Menschen im Alter von etwa 6 bis 18 Jahren gilt in Deutschland die praktisch ausnahmslose Pflicht, eine Schule zu besuchen – es ist ihnen verwehrt, ihre Bildung selbstbestimmt und selbstorganisiert zu gestalten. Dies stellt eine sehr weitgehende Einschränkung ihrer Rechte dar, die für viele dieser jungen Menschen eine unerträgliche Beeinträchtigung bedeutet und aus meiner Sicht unangemessen ist.

Vor etwa 30 Jahren habe ich während meines Lehramtsstudiums angefangen, mich mit den Themen rund um selbstbestimmte und selbstverantwortliche Bildung zu beschäftigen. Der Vergleich zwischen den Schulerfahrungen meiner ältesten Tochter, die damals die Grundschule besuchte, und den Lehrinhalten an der Pädagogischen Hochschule hat mich wegen der großen Diskrepanz häufig den Kopf schütteln lassen. Beruflich versuchte ich, mein Wissen über diese Themen nach meinem Lehramtsstudium sowohl in meiner Arbeit als Lehrerin an einer staatlichen Schule als auch an einer freien Alternativschule umzusetzen, bekam aber in beiden Bereichen die Grenzen des Systems mit.

Im Zusammenleben mit unseren Töchtern und Söhnen fand von den Geburten an ein Demokratisierungsprozess innerhalb unserer Familie statt. Hausgeburten, langes Stillen, Familienbett und ähnliche Themen bestimmten den Alltag mit unseren Töchtern und Söhnen schon lange, aber da ich selbst in einer eher hierarchisch geprägten Familienkultur aufgewachsen bin, empfand ich es oft als ein Herantasten, Ausprobieren, zeitweilig im Nebel herumstochern, herauszufinden, was es denn wirklich heißt, unsere Töchter und Söhne ernst zu nehmen. Sie selbst waren dabei unsere größten Lehrmeister, da es kaum Literatur dazu gab und in unserer eigenen Elterngeneration keine Vorbilder zu finden waren.

Es gab Bereiche, da war es kein Problem, die Entscheidungen unserer Töchter und Söhne zu akzeptieren, aber wie viele Eltern ebenfalls selbst erfahren haben, gab es natürlich Bereiche, in denen es für uns Eltern nicht einfach war, mit diesen Entscheidungen umzugehen. Bei einigen Themen, wie z.B. der Nutzung von Computern, war es ein langer Prozess, das Vertrauen in unsere Töchter und Söhne zu setzen und ihre Entscheidungen zu akzeptieren, vor allem wenn wir diese womöglich für uns selbst (und auch für sie) nicht so getroffen hätten.

Im Jahr 2001 kamen wir an einen Punkt, an dem uns klar wurde, wenn wir die von unseren zwei ältesten Söhnen geäußerte Entscheidung nicht akzeptieren, dann würde dies zu einem großen Vertrauensbruch in der Beziehung zu den beiden führen. Beide wollten sich nicht mehr weiter in der Schule bilden. Beide hatten unterschiedliche Gründe für ihre Entscheidung, die wir Eltern nachvollziehen konnten.

Dieses NEIN zu akzeptieren, haben wir nie bereut. Uns war aber zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, auf was wir uns da einlassen. Trotz all unserem Wissen und unserer Vorerfahrungen haben wir völliges Neuland betreten und unser Leben hat sich grundlegend verändert.

Erfahrungen mit selbstbestimmtem Lernen ohne Schule
Ein Jahr später hat sich auch noch unser jüngster Sohn für eine Bildung ohne Schulbesuch entschieden. Wir haben dann unsere drei Söhne und eine unserer Töchter über bis zu 10 Jahre hinweg bei ihrer selbstbestimmten Bildung begleitet. Es war sehr spannend, das, worüber ich vorher nur gelesen und mir schon viele Gedanken gemacht hatte, dann in der Praxis zu erleben – wie jeder einzelne seinen eigenen Weg gefunden hat. Wir sind offen mit den Behörden umgegangen, haben viele Gespräche geführt, Briefe geschrieben und drei Bußgeldverfahren gehabt. Nach fünf Jahren waren wir der Auseinandersetzung ziemlich müde, zumal wir auch noch in den Jahren davor zwei freie Schulen mit aufgebaut hatten. Da wir schon seit Jahren immer wieder den Wunsch nach einem Auslandsaufenthalt verspürt hatten, sind wir 2006 für zweieinhalb Jahre nach England gegangen und haben die dortige Home Education Kultur genossen und uns darin eingebracht, was unseren Blick auf gemeinsame Bildungserfahrungen noch geändert und erweitert hat.

Bildungsberatung und Betreuung
Nachdem ich fünf Jahre lang (2009 bis 2014) das deutschsprachige Programm der Clonlara-Schule geleitet habe, biete ich seit 2014 zusammen mit meinem Mann über meine freie Bildungsberatung „Kern-Bildung“ Beratungs-, Betreuungs- und Coachingarbeit für selbstbestimmte und selbstorganisierte Bildung an. Wir betreuen junge Menschen, die nicht zur Schule gehen und unterstützen sie unter anderem auch bei der individuellen Vorbereitung auf die Externenprüfungen für den Hauptschulabschluss, den Realschulabschluss und das Abitur. Mehr Infos hierzu auf unserer Webseite.

Freilerner-Solidargemeinschaft e.V.
Im Jahr 2012 haben mein Mann und ich zusammen mit anderen die Freilerner-Solidargemeinschaft e.V. gegründet und leisten dort bisher ehrenamtlich die Hauptarbeit. Die Freilerner-Solidargemeinschaft e.V. hat sich zum Ziel gesetzt, auch jungen Menschen in Deutschland eine selbstbestimmte und selbstorganisierte Bildung zu ermöglichen und diese zu unterstützen – insbesondere auch bei der Auseinandersetzung mit Behörden und Gerichten. Wir möchten junge Menschen und deren Familien ermutigen, in Deutschland offen für ihren selbstgewählten Bildungsweg einzutreten. Durch ihre offen gelebte Bildung und ihr klares Eintreten vor Behörden und Gerichten tragen sie, wenn auch langsam, zur Veränderung der Meinung von Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit bei.

Da es keinen für alle gleichermaßen geeigneten Weg gibt und jede Familie in ihrer einzigartigen Situation steht, beraten wir die Familien sehr individuell, so dass diese ihren eigenen Weg finden können. Längerfristig begleitet die Solidargemeinschaft Familien, die in Deutschland bleiben und leistet moralische, politische, organisatorische, juristische und finanzielle Unterstützung. Mehr Infos findest du auf der Webseite der Freilerner-Solidargemeinschaft e.V.

Schulfrei-Festival
Ich habe das Schulfrei-Festival mit ins Leben gerufen und bis 2015 die Bildungskonferenz des Schulfrei-Festivals organisiert – in den ersten Jahren allein und dann zusammen mit Steffi Mohsennia.
Mehr zum Schulfrei-Festival erfährst du auf der Webseite.

Filme und Bücher
Mit unserer Familie sind wir als Protagonisten in den Filmen „Schulfrei“ von Anne Sono und „Being and Becoming“ von Clara Bellar zu sehen. Im März 2016 habe ich zusammen mit Steffi Mohsennia, Gabi Reichert und Heike Weimer das Buch „Wir sind so frei – Freilernerfamilien stellen sich vor“ mit Berichten von 29 Freilernerfamilien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz herausgegeben.


2 Gedanken zu “Zu meiner Persons”

  • 1
    Anna Butz am 19. April 2018 Antworten

    vielen lieben Dank für dein großes Engagement in Bezug auf das Freilernen.
    Es braucht viel mehr Menschen wie dich, die den Mut haben sich für freie und
    selbstbestimmte Bildung junger Menschen einzusetzen. Leider wird man gerade
    mit sehr jungen Kindern in Deutschland stark bevormundet und je nach Wohnsitz
    stark eingeschüchtert (Sorgerechtsentzug etc.) Ich hoffe dennoch, dass immer mehr
    Menschen den Mut finden, Ihr Recht auf freie nicht von oben verordnete Bildung einzufordern.

  • 2
    Karen am 2. Mai 2018 Antworten

    Hallo Anna, der Druck durch die Behörden ist in den letzten Jahren gestiegen. In diesem Bereich herrscht große Angst, dass alle Menschen, die einen Bildungsweg ohne Schule gehen wollen, sich von der Gesellschaft separieren wollen. Ich will nicht leugnen, dass es auch diese Menschen gibt. Nur gibt es diese Menschen trotz Schulpflicht. Meines Erachtens ist es für uns als Gesellschaft sinnvoller, auch mit diesen Menschen ins Gespräch zu gehen, anstatt sie durch ein Verbot in die Radikalität zu treiben.

    Meine Erfahrung aus Gesprächen mit Mitarbeitern von Schulämtern, Jugendämtern oder auch Politikern ist, dass sie leider nur diese in meinen Augen eher kleine Gruppe wahrnehmen, und immer sehr überrascht sind, dass es in diesem Bereich auch „normale“ Familien gibt, die gute Argumente für eine Öffnung in diesem Bereich haben. Daher ist es wichtig, dass hier viele Menschen ins Gespräch gehen. Es müssen auch nicht nur aktuell Betroffene sein. Diese haben sowieso schon einem großen Druck standzuhalten und viel Arbeit zu leisten. Freunde, Bekannte, Verwandte, Familien mit jungen Kindern oder Familien, deren Kinder schon aus dem schulpflichtigen Alter raus sind, können hier ins Gespräch kommen.
    Viele Grüße
    Karen

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